@ralf:
Uuups, ich war gestern unvorsichtig beim Schreiben. Den oben angefangenen Artikel habe ich im Hintergrund weitergeschrieben und ergänzt. Hier nun alles tutto completto:
Die Angaben von vanMoof zum Drehmoment erschließen sich mir auch nicht ganz. Für das S/X3 gibt vanMoof ein Drehmoment von 59Nm im 500W Boost-Modus an.
Zunächst aber vielleicht etwas Grundsätzliches zur Motorsteuerung von Pedelecs und zu der von vM im Speziellen. Des Weiteren am Ende des Textes technische Daten zum Antrieb, soweit MIR bisher bekannt:
Steuerungen für Elektrofahrräder allgemein
Bei Elektrofahrrädern sorgt ein Steuergerät dafür, dass die Wicklungen des Motors jederzeit wie gewünscht angesteuert werden. Es erhält seine Informationen von einem Bediengerät und von verschiedenen Sensoren. Es werden unterschiedliche Konzepte eingesetzt, um Informationen über die Pedalbewegung des Radfahrers zur Steuerung des Motors zu verwenden:
Dies geschieht entweder per Bewegungssensor oder per Kraft- oder Drehmomentsensor. Des Weiteren sind außer dem Sensor, der die Pedalkraft oder Pedalbewegung des Menschen erfasst, oft weitere Sensoren mit der Antriebseinheit verbunden:
- ein Geschwindigkeitssensor erfasst die Fahrgeschwindigkeit des Pedelecs
- ein interner Drehsensor im Mittelmotor erfasst Winkelbewegungen am Kurbeltrieb
- ein Drehzahlsensor erfasst die Motordrehzahl
- ein Beschleunigungssensor erfasst die Beschleunigung des Fahrrades
Die unterschiedlichen Steuerungskonzepte im Vergleich
Van Moof Pedelecs haben keinen Kraft- oder Drehmomentsensor im Tretlager, sondern sind „nur“ mit einem Drehsensor im Tretlager (Lochscheibe, Magnetscheibe, Lichtschranke oder ähnliches) ausgestattet der erkennt, ob sich die Kurbelachse mit den Pedalen dreht. Dabei kann der Sensor nicht erkennen, ob der Radfahrer viel oder wenig Kraft einsetzt oder ob die Kurbelachse nur kraftlos gedreht wird. Die Antriebskraft des Motors ist also
unabhängig von der eingesetzten Kraft des Radfahrers. Der Radfahrer muss nur in Vorwärtsrichtung die Pedale mit der Kurbel bewegen.
Diese Art der Steuerung ist einerseits für Radfahrer geeignet, die nur wenig eigene Tretkraft aufbringen können (oder wollen). Wenn allerdings immer nur wenig eigene Trittkraft eingesetzt wird, führt dies in der weiteren Folge zu einem erhöhten Stromverbrauch des Motors und damit zu einer verringerten Reichweite des Pedelecs pro Akkuladung, denn der Motor leistet im Verhältnis zum Fahrer die meiste Arbeit, was zu Lasten des Stromverbrauchs und damit zur Reduktion der Reichweite führt.
Andererseits ermöglicht so eine Steuerung einen einfachen Aufbau von Elektrofahrrädern. I. d. R. findet man deshalb solche Steuerungen heute fast nur noch bei Fahrrädern in der unteren Preiskategorie. Sie hat den Nachteil, dass der Motor, abhängig von der techn. Auslegung des Drehsensors, u.U. erst etwas verzögert einsetzt, wenn der Radfahrer die Pedalkurbel schon um einiges, z. B. eine Umdrehung bewegt hat. Aus diesem Grund wird bei dieser Steuerungsart oft eine elektrische Anfahrhilfe mit integriert, die z. B. per Knopfdruck dafür sorgt, dass der Motor bereits beim Anfahren unterstützt. Da beim Anfahren aus dem Stand der Stromverbrauch grundsätzlich am höchsten ist, wird so nebenbei, weil man u.U. Beim Anfahren nicht immer die Anfahrhilfe einsetzt, die maximale Reichweite pro Akkuladung erhöht.
Die vier Motorstufen der vM Pedelecs (in Stufe null ist der Motor aus) schalten vier spezifisch abgestufte maximale Motorströme im EU- oder US-Modus und damit jeweils vier unterschiedliche Drehmomente. Über die jeweils korrespondierenden Drehmomente macht vM bisher keine Angaben, sondern gibt nur ein maximales Drehmoment von 59 Nm an, welches nach meiner Vermutung das maximale Drehmoment in Motorstufe 4 (US) bzw. im Boost-Modus ist, wobei bei Erreichen der jeweiligen Grenzgeschwindigkeiten von 25 km/h (EU) bzw. 32 km/h (US) der Motor grundsätzlich immer abgeregelt wird, auch bei Betätigung des Boost-Tasters. Die Drehmomentangabe von vM bezieht sich vermutlich auf das Drehmoment am Motornabenumfang. Somit wäre aus meiner Sicht das X3 mit seinen 24-Zöllern auf Grund der Hebelgesetze an Steigungen das leistungsstärkere Fahrrad dieser Serie.
Die anspruchsvollere Lösung für eine Pedelec Motorsteuerung ist ein Kraft- oder Drehmomentsensor. Er ergibt ein besseres Fahrgefühl, denn man merkt direkt, wie die eigene Kraft vom Antrieb verstärkt wird. Außerdem haben Fahrräder mit diesen Sensoren meist eine größere Reichweite, weil sie den Fremdenergieeinsatz drosseln, sobald der Radfahrer weniger Kraft einsetzt.
Beispiel: Wenn der Radfahrer in der Ebene fährt, so tritt er nur mit leichter Kraft. Der Kraftsensor und die Steuerung sorgen dann dafür, dass nur wenig zusätzliche Energie über den Elektromotor aufgewendet wird. Wenn der Radfahrer am Berg fährt, so tritt er kräftiger - dann sorgt der Kraftsensor und die Steuerung dafür, dass der Motor mehr Unterstützung bereitstellt. Dadurch schaffen diese Fahrräder den Spagat zwischen hoher Reichweite in der Ebene und guter Unterstützung am Berg. Meist kann auch mit verschiedenen Unterstützungsstufen gefahren werden, die auf unterschiedlichen Steuerungskennlinien beruhen. Dabei wird i.d.R. zwischen den Zielen maximale Reichweite und maximales Drehmoment über entsprechende Fahrmodi unterschieden. Eco, Standard und Sport oder ähnlich sind gängige Begriffe hierfür. Oft ist auch noch ein „Automatikmodus“ anwählbar, der – basierend auf den momentan gemessenen Drehmomentwerten - zwischen unterschiedlichen Modi selbsttätig hin- und herschaltet.
Bei diesem Steuerungskonzept ist eine Anfahrhilfe nicht notwendig, denn die Steuerung erkennt über den Kraft- oder Drehmomentsensor bei einem Pedaldruck größer null sofort, dass der Radfahrer anfahren möchte.
Dieses Steuerungskonzept bietet gegenüber dem Drehsensor also folgende Vorteile:
- theoretisch eine höhere Reichweite, da die Energie proportional zur Tretkraft des Radfahrers eingesetzt wird,
- einfachere Bedienung, da der Radfahrer nur wie gewohnt in die Pedale treten muss - die Anfahrhilfe durch den Motor kommt von alleine,
- mehr Fahrspaß, denn durch die Verstärkung der eigenen Tretkraft fühlt man sich viel stärker.
Ein willkommener Nebeneffekt des Konzepts mit Vorderrad-Nabenmotor beim vM ist dessen Freilauf bei ausgeschaltetem Motor oder mit Motorunterstützung bei Überschreiten der jeweiligen Grenzgeschwindigkeiten von 25 bzw. 32 km/h, so dass man mit eigener Pedalkraft ohne Motorwiderstand ganz normal Fahrrad fahren kann. Mit dem neuen 4-Gang Getriebe und einer damit verfügbaren langen Übersetzung ist damit hoffentlich ein komfortableres Fahren auch im höheren Geschwindigkeitsbereich möglich als bisher mit den S1 und S2 Typen. Zudem kann man so auch höhere Reichweiten erzielen als mit „Nur“-Pedelecs, da man ohne zusätzlichen Kraftaufwand (durch mögliche Verluste in Motorgetrieben) mit den vM Pedelecs mit ausgeschaltetem Motor ganz normal Fahrrad fahren kann um vorwärts zu kommen. Von daher ist der oben geschilderte mögliche Reichweitenvorteil durch Kraftsensorsteuerung zurückhaltend zu bewerten. Auch sind manche Pedelecs mit ihrer Getriebeabstufung auf eine maximale Geschwindigkeit von 25 km/h ausgelegt. Möchte man schneller fahren, so kann man bei manchen Pedelectypen, obwohl bereits im höchsten Gang, in unkomfortabel hohe Trittfrequenzen kommen. Auch sind manche Motorgetriebe nur ohne Freilauf bzw. trotz Freilauf mit deutlichen Energieverlusten im Getriebe bei ausgeschaltetem Motor zu fahren.
Van Moof hat mit den Stadtfahrrädern S/X 3 einen anderen konstruktiven Weg eingeschlagen:
Bei den vanMoof Pedelecs ist ein fein gerasteter Drehsensor verbaut, der schon bei einer kleinen Winkelverstellung des Tretlagers den Motor zuschaltet, was zu einem sehr direkten Ansprechverhalten des Motors und damit zu einem sehr guten Fahrgefühl beiträgt. Das macht sich vor allem in Verbindung mit dem Boost-Taster positiv bemerkbar, ganz besonders beim Ampelstart. Zudem hat der Boost-Taster hier nicht die Funktion einer Anfahrhilfe, die den Motor ohne Pedaleinsatz in Gang setzt, was bei Anfahrhilfen oder Anschubhilfen bis zu einer maximalen Geschwindigkeit von 6 km/h gesetzlich für eine Bauartzulassung erlaubt ist, sondern der Boost-Taster funktioniert hier nur, wenn durch Pedaltritt am Drehsensor ein Signal induziert wird, dann aber sofort mit maximaler Motorleistung und damit maximal verfügbarem Drehmoment. Das macht den „Wow-Effekt“ bei vM Pedelecs beim Start und Beschleunigen mit Boostunterstützung. Man fährt durch die Auslegung der Steuerung also immer mit dem jeweiligen Drehmoment der gewählten Unterstützungsstufe plus Boost bei Bedarf. Das bedeutet, dass man an Steigungen mehr Kraft aufwenden muss, die Motorsteuerung aber nicht automatisch einer Kennlinie folgt und die Leistung mit erhöht. Das macht das vM eher zum (Stadt-)Fahrrad mit Hilfsmotor als zum ausgeklügelt sensorunterstützten Pedelec-Tourer. So ist auch die Kundenzielgruppe einzuordnen. Wobei MIR Touren mit meinem S1 bisher durchaus Spaß machen, man muss sich halt darauf einlassen und beim Fahren entsprechend der kommenden Wegstrecke etwas vorausdenken, was die gewählte Unterstützungsstufe betrifft. Soweit mir bekannt, ist vM der einzige Hersteller weltweit, der die Pedelec-Motorsteuerung mit Boost-Funktion auf diese Weise ausgelegt hat. Angeblich soll beim S/X 3 die Boost-Funktion auch bei ausgeschaltetem Motor verfügbar sein, also in Motorstufe 0, was den Gebrauchswert gegenüber den Vorgängermodellen noch einmal deutlich steigert. Ich werde berichten...
Bisher bekannte techn. Daten zum Antrieb S3:
Reifen Schwalbe „Big Ben“ 50 x 622 (28'' x 2,0)
Radumfang bei 4,5 bar Nennreifendruck = 2.284 mm
Grundübersetzung des Antriebs vom Kettenblatt zum Ritzel 38 : 22 = 1,7273
4-Gang Hinterrad-Nabenschaltung (Sturmey Archer)
Übersetzungsverhältnisse S3 (vermutet, Grundlage Katalogangaben Sturmey Archer 4 Gang Nabe X-RF4):
Die Entfaltung ist berechnet auf Basis obiger Angaben 28'' Serienbereifung
1. Gang: 100% / Entfaltung = 3,945 Meter
2. Gang: 128% (Gang 1 + 28%) / Entfaltung = 5,049 m
3. Gang: 164% (Gang 2 + 28%) / Entfaltung = 6,464 m
4. Gang: 210% (Gang 3 + 28%) / Entfaltung = 8,273 m
Motorisch betätigte Schaltung. Die drei Schaltpunkte können über die vanMoof App innerhalb fest vorgegebener Bereichsgrenzen jeweils sowohl für das Hochschalten, als auch für das Runterschalten individuell stufenlos gewählt, abgespeichert und jederzeit wieder abgeändert werden.
Die jeweiligen Grenzgeschwindigkeitsvorgaben in km/h für die drei Schaltpunkte sind lt. vanMoof:
Hochschalten
1. auf 2. Gang: 10 (EU) 10 (US)
2. auf 3. Gang: 19 (EU) 19 (US)
3. auf 4. Gang: 27 (EU) 24 (US)
Runterschalten
4. auf 3. Gang: 27 (EU) 24 (US)
3. auf 2. Gang: 17 (EU) 17 (US)
2. auf 1. Gang: 8 (EU) 8 (US)
Motor und Akku
36 V Motor 250/350 W; Boost 500 W
Akkukapazität 508 Wh
4A Schnellladefunktion: 50% geladen in 80 Minuten
in 4h voll aufgeladen
Voilà et fini!
Gruß
R.