G
gervais
Themenstarter
- Dabei seit
- 20.03.2010
- Beiträge
- 3.816
- Reaktionspunkte
- 51

Schnelle Pedelecs (S-Pedelecs) sind per Definition Leichtkrafträder (L1e) , die im Gegensatz zu führerschein - und zulassungsfreien Pedelecs , elektrische Unterstützung oberhalb 25km/h und Motorleistungen bis 500 Watt zulassen. Zusätzlich mit Handgas (Gasgriff) ausgestattet, können diese zudem ohne Pedalieren bis zu 20km/h betrieben werden, welches die bauartbedingte Höchstgeschwindigkeit ist, die auf Basis der Leichtmofaverordnung (vulgo Lex Saxonette) einen Betrieb ohne Helmpflicht ermöglicht. Neben der herstellerseitiger Typprüfung ist fahrerseitig für den Betrieb ein Versicherungskennzeichen sowie eine Fahrerlaubnis erforderlich (bzw. je nach Interpretation auch lediglich eine Mofaprüfbescheinigung) . Innerörtliche Radwege dürfen nicht befahren werden, indes entfällt damit auch die Radwegbenutzungspflicht, was der eigenen Sicherheit zugute kommt, glaubt man der Statistik. Details zur Gesetzeslage > im Wiki des Pedelec Forum
2009 war die Markteinführung des ersten schnellen Pedelecs der in Cloppenburg beheimateten Derby Cycle AG : Deren Kalkhoff Pro Connect S läutete zusammen mit den bauähnlichen Rixe Nancy S und dem Raleigh Dover 40 aus gleichem Hause die weitere Verbreitung von S-Pedelecs hierzulande ein. Zusammen mit den Darmstädtern Riese und Müller und der Schweizer Biketec AG mit ihren schnellen Flyer Modellen bilden diese Marken seitdem das wahrgenommene Marktgeschehen in diesem Segment ab. Kleinere Hersteller wie der des S-Pedelec Urahn Dolphin Express, und andere Manufakturen, die auf Heinzmann Basis herstellen, fanden nur in kleineren Stückzahlen oder unerkannt auf unsere Straßen. Die Leichtmofas vom E-Bike Veteranen SFM (vormals Sachs, Saxonette) , vollzogen ihre Umwidmung zu schnellen Pedelecs eher unbemerkt, was freilich auch daran liegt, dass man optisch immer noch dieselben senioresken Modelle verkauft wie vor 5 Jahren . Angekündigte, sportlichere S-Modelle wie das XR-5, erschienen nicht.
Da auch 2011 andere Hersteller ihre Premieren verschoben, ausfallen ließen oder heimlich feierten, blieb es bei obigen Marken und im Prinzip unveränderten Modellen, was natürlich auch einem aufwändigen Zulassungsverfahren (Homologation) geschuldet ist. .Auch das Pro Connect S bekam 2010 ein Display, einen etwas stärkeren Motor, 2011 Scheibenbremsen und wiederum stärkere Unterstützung, blieb aber dennoch im Wesen dasselbe Rad.
2012 soll dies alles anders werden . Neben BionX (R+M, Diamant) und dem altbekannten 26 V PANASONIC System, (Derby Cycle, Biketec) welches durch ein 36V System ergänzt oder gar ersetzt wird, kommen Green Mover (Go Swiss Drive OEM) und BOSCH S-Pedelec Antriebe auf den Markt, wobei speziell letzterer die Anzahl der S-Pedelec Hersteller signifikant erweitern wird, will man den Ankündigungen Glauben schenken, was angesichts der 2011er Nullrunde etwas schwer fallen könnte .
Weil auch Kalkhoff bereits im letzten Jahr für das Modelljahr 2012 S-Pedelecs mit den neuen 36V PANASONIC und BOSCH Antrieben ankündigte, welche vorauseilend durch Fachpresse und euphorische Messebesucher gelobt wurden, gehörten die bisherigen Modelle mit 26V Antrieb auf einmal zur Kategorie Gutes von Gestern, wovon Schnäppchenjäger seit August letzten Jahres profitieren können: Längst ausverkauft geglaubte 2009er und 2010er Modelle waren wieder im Angebot, und gehen ab diesem Zeitpunkt bis heute für runde 1000€ unter der bisherigem UVP über den Ladentisch, was auch der Anlass für diesen Bericht über ein an sich bekanntes Produkt ist.
Weil alten Modellen aber grundsätzlich der modrige Geruch von Standschäden und Ladenhütern anhaftet, war es naheliegend zu klären, wie es sich mit diesen tatsächlich verhält und es wurde zu diesem Zweck ein vor zwei Jahren gefertigtes, bis zum Kauf unbenutztes, Kalkhoff Pro Connect S in der 300W Version bei einem Fachhändler in NRW erworben, welches nachfolgend beschrieben wird. Die folgenden Abbildungen zeigen genau dieses Rad und stammen nicht aus Derby Cycle Pressemappen oder Agenturen..
Die wesentliche Frage ist : Lohnt der Kauf ?

Das Herz des Kalkhoff Pro Connect S ist ein Mittelmotor, den der erfahrene Zulieferer PANASONIC für viele Fahrradhersteller seit Jahren in großer Stückzahl (lt. Derby Cycle 1,2 Mio Einheiten) in Japan produziert. Im Modelljahr 2010 kommt die Version NUA021AL (300W/320U-min, leicht überprüfbar eingeschlagen!) zum Einsatz, kettenradseitig nicht besonders hübsch, aber hosenschützend mit Kalkhoff typischen Kettenschild in Spraycan Finish abgedeckt. Auch im Bild sichtbar, die saubere Integration der anschließbaren Batterie (Einrastung beachten!), welche zusammen mit ehrlich einfachen Wellgo M-21 Pedalen auf bauchigen Concept SL Kurbeln schon eher den Geschmack des Autors treffen.

Der PANASONIC Mittelmotor wirkt über ein Ritzel (Z 12) direkt auf die Kette und bezieht dadurch die Gangschaltung mit ein. Gesteuert wird die Motorunterstützung mit einem im Antrieb integriertem Drehmomentsensor, was bedeutet, dass die Unterstützung (und damit auch der Energieverbrauch) mit Erhöhung des Pedaldrucks zunimmt, bis zu einer maximalen Kadenz (Pedalumdrehung).
In der Praxis verhält es sich so, dass die Unterstützung mit steigender Pedalkraft im größten Gang bis ca. 32km/h zunimmt und danach bis zur Obergrenze von 42 km/h wahrnehmbar verschwindet.. Dies erfolgt aber so sanft, dass man an keiner Stelle das Gefühl hat, mit etwas anderem als mit einem Fahrrad zu fahren, bedeutet aber auch, dass die durch die Presse ständig soufflierte Annahme, jedermann könne damit wie mit einem benzingetriebenen Kleinkraftrad ständig mit 45km/h rasen, falsch ist: Geschwindigkeiten oberhalb 32km/h erfordern Körpereinsatz, heimliche Mofafahrer werden mit diesem S-Pedelec nicht wirklich bedient.
Auch der für die Zulassung als L1e Fahrzeug erforderliche und montierte Daumengashebel ((bestimmt die bauartbedingte Höchstgeschwindigkeit, Abb.Unter Steuerung und Bedienung) erfüllt derlei Hoffnungen nicht : Das mit 80 Kg beladene Testrad erreichte damit in der Ebene im größten Gang gerade einmal 12-15km/h, was dessen Einsatz im Test auf Schiebehilfe an steilen Rampen und das Reinigen der Kette beschränkte.
Übrigens: Die Bodenfreiheit wird hier durch den Antrieb lediglich um 20 mm verringert, auch wenn dies im Bild anders erscheint.
Steuerung und Bedienung

Die Unterstützungsstufen: 70% (Eco),130% (Standard),175% (HIGH) sind mittels der Bedieneinheit am Lenkrad wählbar. Diese bietet die Auswahl der drei Unterstützungsstufen, Aktivierung der Beleuchtung und auf dem Display mit 60mm Diagonale permanent Akkuzustands- und Leistungsanzeige (rot),Tachoanzeige, sowie wahlweise Gesamtkilometer, Durchschnittsgeschwindigkeit , Maximalgeschwindigkeit oder rückstellbare Tageskilometer. Die Geschwindigkeit wird mittels einem an der Kettenstrebe angebrachtem Sensor (grün) und dem zugehörigen Speichenmagneten erfasst. Alle Daten, auch die Gesamtkilometer lassen sich löschen und der Radumfang individuell programmieren, was im Falle des werkseitig eingestellten Radumfangs von 1973mm für den montierten Conti 37-622 auch notwendig ist, wenn der Fachhandel dies nicht bereits erledigt hat.
Das Display ist sehr übersichtlich , lässt sich auch bei Sonnenschein gut ablesen und ist bei Aktivierung der Beleuchtung gleichmäßig ausgeleuchtet. Die Knöpfe der Bedieneinheit leichtgängig .
Der im vorherigen Abschnitt besprochene Daumengashebel ist rechtseitig montiert und kann in Verbindung mit den Deore Daumenschalter nicht weiter zum Handgriff verschoben werden.
Akku und Ladegerät
Der Antrieb des Kalkhoff Pro Connect S wird durch eine Li-Ionen Batterie mit Energie versorgt.

Der zum PANASONIC System entwickelte, abnehmbareEnergiespeicher (Kapazität 259 Wh 26V / 10Ah, Gewicht 2,4 kg) wird direkt auf den Antrieb aufgesetzt, anschließbar und leicht zu entnehmen. Auf Knopfdruck aktiv ist eine 5 LED Ladezustandsanzeige, welche nach längerem Drücken auch die Kapazität der Batterie verraten soll und im Ladebetrieb den Ladefortschritt und Ende des Ladevorgangs signalisiert. Vollgeladen bot die Batterie tatsächlich die beworbene Kapazität (sep. Test > hier ) und im Test Reichweiten zwischen 20-50km, abhängig von Eigenleistung, gewählter und tatsächlich genutzter Unterstützung, sowie vom Streckenprofil. Die im Internet zuweilen vorgetragenen > 60 km Touren mit einer Batteriefüllung mit Verbräuchen unter 4 Wh/km sind aber eher Ausnahme denn Regel oder starken Eigenleistern vorbehalten, weshalb Langstreckenfreunde sich eine Zweitbatterie zulegen werden.
Insbesondere die Batterien NKY306B2 (8Ah 202Wh) und 14069 (18Ah 454Wh) bieten bei Straßenpreisen von 1- 1,30€/Wh im Vergleich zu anderen Herstellen sehr preiswerte Ergänzung. Mittlerweile gibt es sogar passende Batterien mit 625Wh. Da diese nur 1,5cm breiter und 800g schwerer als die Serienbatterie sind, auch 2012, im Jahr der großen Kapazitäten, wettbewerbsfähig......
Das 660g leichte Ladegerät (Hier: NKJ044B) füllt lautlos innerhalb von 5,5h die entleerte Batterie mit einem Ladestrom von 1,8A 29,3V (50W). Ladebetrieb und -Ende werden durch die LED Anzeige der Batterie signalisiert. Obwohl die 70er Jahre Optik zunächst nicht zusagt, freut man sich später in der Praxis über textilfreundliche Softlinekanten, die mancher Aluziegel der Marktbegleiter nicht bietet.
Rahmen

Der Rahmen des Kalkhoff Pro Connect S aus Aluminium (Kalkhoff Bezeichnung Trekking Light Aluminium, Zero Stack), ist im Tretlagerbereich speziell für die Aufnahme des PANASONIC Antriebs konzipiert . Die Diamantsektion mit Sattel- und Oberrohr in 35mm,sowie das die Züge führende Unterrohr in kräftigen 45mm mit aufgeschweißten Verstärkungen im Austrittsbereich (blau) ist rund und gerade ausgeführt. Der Hinterbau mit oberen Streben in 22mm und tropfenförmig ausgeformter Kettenstrebe und deren Pendant verbreitert sich geschwungen bis zu den Ausfallenden. Der pulverbeschichtete Rahmen mit rauher Oberfläche in Rauchsilber, trägt, der dezenten Gesamtoptik zuträglich, nur unauffällige und hauchdünne Beschriftungen. Er wurde nicht separat gewogen, doch da das für ein zulässiges Gesamtgewicht von 120kg ausgelegte Testrad in 50cm RH bemerkenswerte 21,3kg inklusive Batterie und Pedalen wiegt, sicher ein Leichtgewicht. Ferner : Gewinde für Rahmenschloss und Flaschenhalter vorhanden, letztere erfreulicherweise mit VA Schrauben versehen. Die Fahrgestellnummer befindet sich gut sichtbar am Sattelrohr (grün), die Typschilder am Unterrohr (rot).
Radstand: Dieser ist bei RH50 mit 117cm trotz Batterie hinter dem Sattelrohr gerade 3,5cm länger als der eines RH50 Kreidler Vitality Trekking mit BOSCH Antrieb, freilich auch über ein 3cm kürzeres Oberrohr erreicht (56 zu 59cm),was Sitzriesen bei der Anprobe beachten sollten. Im Vergleich mit manchem RH46 Discount Tiefeinsteiger, dessen Batterieposition zu Radständen um 1,28m führt, kann man diesen Umstand aber getrost ignorieren.
Schaltung
9 Gang Shimano Deore XT mit 41Z Kettenradgarnitur

Der Shimano Zahnkranz CS-M770 ( 11-32 Z), Deore XT Umwerfer RD-M722 wird mit Daumen und Zeigefinger über Deore XT SL-M770 Hebel am Lenker geschaltet. In Verbindung mit der 41 Z Kettenrad Garnitur ergibt sich ein Bereich von 2,91 - 8,48 m pro Kurbelumdrehung , Details zu den Übersetzungsverhältnissen bei > J.Berkemeier . Kalkhoff gibt in den Übersetzungsangaben des Motorschilds am Unterrohr übrigens abweichend 11-34Z an, was aber in Hinblick auf die Legalität laut BDA kein Anlass zur Sorge bietet, da man bei den Schaltkomponenten bis auf die größte Übersetzung Änderungen vornehmen darf, ohne dass ein Gutachten erforderlich wird.
Präzise schaltbar, harmonierte die Gruppe mit Shimano Kette CN-HG 73 und PANASONIC Antrieb, übrigens überraschend geräuscharm: Da kracht nichts und es sind keine Gedenkpausen erforderlich, die so manche Nabenschaltung zum unpassenden Zeitpunkt erfordert.
BremsanlageMagura HS 33 Gruppe : Hydraulische Felgenbremsen

Die Magura Felgenbremsen (HS33) mit roten Belägen und den dazugehörigen Bremshebeln in ansprechender Optik (verglichen mit HS11 filigran), packen auch ohne Einbremszeit energisch und geräuscharm: Weder quietscht es, noch rubbelt es. Man vermisst keine Scheibenbremsanlage, denn dieses HS 33 Modell lässt sich sehr gut dosieren und überzeugt auch im Gefälle. Die im Unterrohr verlegten Hydraulikleitungen (etwas starr) : unterscheiden sich optisch nicht von Seilzügen, sind aber im Austrittsbereich ein paar Zentimeter zu lang geraten. Der Hebelweg lässt sich einfach an den Bremshebeln per Rändelrad (gelb) werkzeugfrei verstellen und die Bremskörper leicht per Hebel für Belagwechsel oder Rad-Ausbau entriegeln.(grün). Auch im Bild sichtbar, die punktförmigen Verschleißindikatoren der Rodi Felge (rot).
Zuletzt bearbeitet von einem Moderator: