Wir waren vor ein paar Wochen in Santiago (kein Pilgerkram, nur Sightseeing), da war es schon recht voll. (Vor allem an der letzten Stempelstelle für die Vergebung der Sünden

)
Aber zu Stoßzeiten muss das wohl abgehen wie beim Black Friday in den Innenstädten.
430.000 Pilger in diesem Jahr bisher, macht 1270 pro (!) Tag, die da durch die Stadt laufen.
Ballermann 2.0......
Bewohner kritisieren Pilgeransturm auf den Jakobsweg: "Wir werden aus unserer Stadt verjagt"
Radfahrer waren auch etliche vor Ort, alles bunt gemischt, Rennrad, E-Bike, Tourenrad, mit Rucksack und Packtaschen, mit Anhänger....
Man kann den Camino ja sogar per Zug machen, ohne zu wandern und bekommt trotzdem die Urkunde.
Segelschiff oder Hotelzug für den originellsten Jakobsweg | spain.info
Nun ja, das muß wohl auch ein wenig relativiert werden:
Tatsächlich sind diese Wege - wenn man sie denn tatsächlich in voller Länge als Pilger/ Wanderer (wie auch immer genannt) absolviert - trotz der orografisch nicht allzu anspruchsvollen Wegführung (jede Alpenwanderung ist dagegen Leistungssport) aufgrund der unendlichen Aneinanderreihung von einzelnen Etappen, des Klimas, der eingeschränkt vielfältigen Ernährung, des Fremdgruppenzwanges (Fremdeln ist nicht bei Pilgermenü, in Schlaf- und Waschsäle, bei Klamottenreinigung usw.) eine derartige physische, psychische und zeitliche Herausforderung, daß sich nur Wenige dieses langwierige Verlassen ihrer Komfortzone wirklich antun ... und bei der Viele vorzeitig aufgeben.
Auch die Radwege (mit Gepäck und ohne Begleitfahrzeug) haben es erheblich in sich.
Wer das geschafft hat, ist - ob mit oder ohne Urkunde - zu recht stolz auf sich und erfahrungsgemäß über lange Zeiträume äußerst gechillt.
Die übergroße Mehrheit sind heute (leider) Pulks von per Bus herangekarrten Touristen, die ihre geführten 1-2-Tages-Etappen zur Erhaschung des pilgrim feelings absolvieren und Spanier auf der Jagd nach der für ihre einwandfreie Vita dort vermeintlich unbedingt nötigen Compostella.
Schaut Euch aktuelle Webcam-Aufnahmen (Hauptzeit ist von März - Oktober) z.B. hier
http://www.crtvg.es/crtvg/camaras-web/o-bando-san-marcos
an - fast alles Daypack-Touris, die 2 Stunden später in Santiago einfallen.
Die LAUTESTEN Pilger waren in meinem Erlebnisbereich unangefochten denn auch die (insbesondere auf dem Frances wegen der für die Compostela geforderten100km-Regel ab Sarria in der absoluten Mehrzahl vertretenen) Spanier selbst, gefolgt von Italienern und danach Russ(inn)en - alles natürlich filmisch inkl. Ton dokumentiert

... rede da also kein Blech.
Ich war 2012, 2013, 2015 und 2018 auf dem Frances/ Primitivo/ der Via de la Plata 2x per pedes und 1x mit (Bio-)Bike unterwegs.
Die Pilgerwege gingen (bin über den aktuellen Verlauf nicht mehr ganz up to date) auf weiten Strecken durch agrarisch geprägtes Gebiet - ein hartes Leben dort. Die Ansässigen ergänz(t)en ihr nicht allzu üppiges Einkommen gern durch Befriedigung der Grundbedürfnisse der durchpilgernden Scharen (walk - eat - sleep - repeat).
Das ging dann mehrfach schon so weit, daß kurzerhand Wegmarkierungen für einen "kurzen" Ausflug in die Nachbargemeinde geändert wurden - mehrfach erlebt (und natürlich fotografisch und filmisch zur Erheiterung unserer heimischen Interessenten festgehalten) und bei Umwegen von 10km und mehr schon eine haarige Nummer für den Fuß-Latscher.
Auch sind bereits damals Herbergen mit teilweise sehr suspekten Geschäftskonzepten wie die Pilze aus dem Boden geschossen.
Gerade die (Pilger???)Herbergen - auch etliche, die ursprünglich diesen Namen verdient hatten, haben profitgetrieben wesentlichen Anteil am Erstarken des Massentourismus auf diesen Wegen.
Während in meinen Wanderjahren ein (
chronologisch und geografisch nachvollziehbar) abgestempelter Pilgerpass Garant für ein Bett an jedem Abend, nette Gespräche und guten Kontakt mit Einheimischen waren, haben zunehmend privater Betrieb der Beherbungen, gepaart mit erheblich zu viel Geschäftssinn dazu geführt, daß inzwischen überwiegend von Veranstaltern für ihre Bus-Touristen (s.o.) vorreservierte und nahezu durchbelegte Häuser zu einem täglichen Wettrennen unter den (im Verhältnis wenigen) echten Pilgern (auch per Rad) geführt.
Santiago war und ist zudem auch gern anvisiertes Ziel von Kreuzfahrt-Touristen - Gastronomie und Hotellerie leb(t)en prächtig davon und die Kommune wird sicher auch ihren Anteil erhalten haben ....
Corona hat diese Industrie 2020 in ganz Galizien schlagartig abgewürgt - mit hoher Anzahl an Insolvenzen.
Der letzt- und diesjährige wirtschaftliche Nacholbedarf hat wohl die Türen der verbliebenen und neuen Gastgeber etwas zu weit geöffnet.
Ist wie bei den Mallorcinern - Geld ist nicht alles und zuviel ist ZUVIEL - das müssen nun auch die Galizier lernen.
"Nur" Pilger wären ihnen aber ganz sicher eher zu wenig(e) .....
Bin gespannt auf
@kawajan74 's Impressionen ...
VG H.