Eskute Netuno Plus - ein Erfahrungsbericht

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ChrisMartens

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Über die Betreiber von pedelecforum.de bekam ich die Gelegenheit, das Eskute Netuno Plus zu testen:

20230507_185819.jpg Netuno Geometrie.jpg

Das Netuno Plus wird direkt oder über Amazon vertrieben und für 1.399 Euro angeboten, es gibt immer mal wieder Rabattaktionen und Gutscheine. DPD liefert innerhalb weniger Tage einen großen und gut 30kg schweren Karton, Aufbau und Inbetriebnahme des Rades bleiben dem Kunden überlassen.

Geliefert wird das Pedelec selbst, das Ladegerät, ein Satz Werkzeug für Aufbau und Wartung, sowie ein paar Papiere. Alles ist sehr sorgfältig und wirklich gut geschützt verpackt. Das Rad kommt ohne Kratzer oder sonstige Mängel an, obwohl der Karton deutliche Kampfspuren aufweist.

Montiert werden müssen Vorderrad, Vorbau, Lenker, Frontleuchte und Pedale. Sodann sind alle Schrauben des Pedelec auf festen Sitz zu prüfen, die Einstellung von Schaltung und Bremse sollte geprüft und nötigenfalls korrigiert werden, die Sattelhöhe ist einzustellen – das war's.

Was haben wir hier nun stehen?

Das Netuno Plus wird als Mountainbike angeboten und ist ein hardtail, die Stahlfedergabel bietet 100mm Federweg, der Lenker ist 65cm breit und (fast) gerade. Wie es sich für ein MTB gehört kommt das Netuno Plus ohne Gepäckträger oder Schutzbleche daher, dafür gibt es einen stabilen Seitenständer an der Kettenstrebe und eine Beleuchtungseinrichtung.

20230507_190227.jpg 20230507_185902.jpg 20230507_190309.jpg

Das Netuno Plus wird über einen Bafang G020 250W Nabenmotor im Hinterrad angetrieben, hat ein zentrales und farbiges Display mit separatem Bedienfeld links am Lenker, eine Shimano Tourney 1x7-Gang-Schaltung, über Bowdenzug betätigte Scheibenbremsen mit 160mm Scheiben vorne und hinten, Schnellspanner für das Vorderrad, Kenda Stollenreifen in 2,1“ x 27,5“ sowie einen in den Unterzug integrierten und entnehmbaren Akku mit 522Wh Kapazität bei einer Nennspannung von 36V.

Das Pedelec ist in einer Rahmenhöhe von 49cm und in den Farben Schwarz oder Blau erhältlich.



e-mountainbikemechanischeScheibenbremsen.png


Netuno_Plus_Emtb_Akku_samsung_schwarz.png


Das Besondere am Netuno Plus ist der Drehmomentsensor (vermutlich im Tretlager) und die damit realisierte Drehmomentsteuerung des Nabenantriebes im Hinterrad.

Bei Nabenmotoren findet sich üblicherweise eine reine PAS-Steuerung, vereinfacht also Motorunterstützung „an“ beim Pedalieren und „aus“ wenn nicht mehr pedaliert wird. Drehmomentsteuerung ist inzwischen der Standard bei Mittelmotoren und bietet mit seiner Moduliermöglichkeit wohl das angenehmste und natürlichste Fahrerlebnis.

Erste Kritikpunkte

Eine gedruckte Bedienungsanleitung wird nicht mitgeliefert, diese gibt es online zum download. Die Anleitung enthält technische Daten, die Aufbauanleitung, die Bedienungsanleitung und einen Wartungsplan. Alle Angaben sind sehr knapp und leider unvollständig.

Für die Montage des Vorbaus und die hierbei notwendige Einstellung des Steuersatzes ist ein Blatt mit schematischen Zeichnungen und englischem Text beigelegt. Die Einstellung des Steuersatzes wird dort unzureichend und letztlich falsch erklärt.

Die an der Gabel zu verschraubende Frontleuchte (Betrieb über den Akku) samt Reflektor, die ansteckbare und batteriebetriebene Rückleuchte und die Reflektoren an den Speichen weisen die vorgeschriebenen Prüfzeichen auf. Allerdings haben die Reflektoren auf den Pedalen kein Prüfzeichen und der vorgeschriebene Rückstrahler am Heck fehlt komplett.

Somit ist das Netuno Plus in Bezug auf die Beleuchtungsanlage nicht StVZO-konform, obwohl es von Eskute ausdrücklich so deklariert und beworben wird.

Montage und Inbetriebnahme

Es gibt bei youtube diverse Videos, die den Aufbau der verschiedenen Räder von Eskute zeigen. Hat man bereits etwas Erfahrung mit Fahrrädern, ist das Netuno Plus schnell und problemlos komplettiert und eingestellt.

Das mitgelieferte Werkzeug ist optisch, haptisch und funktional von ordentlicher Qualität und erfüllt seinen Zweck völlig.

Bei meiner Lieferung fehlte die Schraube zur Befestigung der Frontleuchte, ich hatte Ersatz, jedoch kann eine fehlende Schraube manchem Käufer Probleme bereiten.

Alle Verschraubungen und die Speichen des Netuno Plus waren fest, alle Gewinde gangbar, die Bremse funktionierte ohne jede Justage, einzig das Schaltwerk musste nachgestellt werden – geschenkt. Der Akku kam vorgeladen, schon kann es losgehen!

Nach Drücken der „Power“-Taste auf dem Bedienfeld kommt sofort Leben ins Display und das Rad ist startklar.

netuno01.jpg

Wie fährt sich das Netuno Plus?

Kurze Antwort: prima!

Wie erwartet setzt sich das Netuno Plus mit spürbarer Unterstützung und verzögerungsfrei in Bewegung, sobald man Druck auf das Pedal ausübt. Hier macht sich der Drehmomentsensor gleich angenehm bemerkbar.

Ein Nachschieben des Antriebs konnte ich nicht wahrnehmen. Die Beschleunigung ist in der Ebene bereits auf Stufe 1 (von 5) deutlich spürbar und bei 25 km/h wird die Unterstützung weich weggeschaltet.

Ein weiteres Beschleunigen und Fahren im Bereich über 25 km/h war mir relativ leicht möglich, es gibt nur geringe Fahr- und Rollwiderstände des Rades zu überwinden.

Der Antrieb ist relativ leise, die Geräusche der Reifen auf Asphalt sind deutlich hörbar aber nicht störend.

Das Netuno Plus ist „schnell“, ich hänge meine Frau bei unseren Ausfahrten jederzeit und ohne großen Aufwand ab. Dies ändert sich schlagartig wenn wir die Räder tauschen, nun fährt sie mir weg und ich habe mit dem Stromstufenantrieb ihres Rades richtig Mühe!

Die Steuerung des Antriebs über das vom Fahrer aufgebrachte Drehmoment erzeugt gegenüber einem Antrieb mit Stromstufen oder Geschwindigkeitsstufen eine sehr angenehme und gleichzeitig unauffällige Unterstützung.

Die Schaltung ist knackig und präzise, wenn auch der SL-TX50 Schalthebel ungewöhnlich aussieht. Die Kette von KMC soll rostfrei sein.

Die Bremsen sind über Seilzug betätigt und erfüllen ihren Zweck, die Bremswirkung ist bei Verwendung des Netuno Plus im Flachland völlig ausreichend.

Ein schöner Gimmick: Die Klingel ist im linken Bremshebel integriert und dort sehr gut erreichbar. Sie erzeugt einen hellen Doppelton und damit die nötige Aufmerksamkeit.

Das Display ist ein echter Hingucker, zentral in den Vorbau integriert zeigt es im ausgeschalteten Zustand eine schwarze spiegelnde Fläche und erwacht schnell zum Leben, sobald man den „Power“-Knopf auf dem separaten Tastenfeld drückt. Große farbige LED-Symbole zeigen die jeweilige Unterstützungsstufe, die aktuelle Geschwindigkeit und den Ladezustand des Akkus in fünf Stufen an.

Diese Lösung ist schön anzusehen aber leider unpraktisch. Die angezeigten Symbole lassen sich bei Sonnenschein nur schwer ablesen, ein Problem aller farbigen LED-Displays. Will man einen anderen Vorbau verwenden, verliert man das Display, da es ist in den Vorbau integriert ist.

Bei der im Display vorgesehenen Anzeige der gefahrenen Wegstrecke gibt es offenbar ein Problem, das Anzeigefeld ist vorhanden, es zeigt aber keine sinnvollen Werte und wird beim Ausschalten des Rades genullt.

Das Display verfügt über einen USB-C-Anschluss zum Laden des Mobiltelefons. Informationen zur Belastbarkeit des Anschlusses gibt es keine.

Weiterhin kann man den Lishui-Controller des Netuno Plus über bluetooth erreichen, es gibt eine App mit der man verschiedene Einstellungen vornehmen und seine Fahrten loggen kann.

Die App kann in der aktuellen Version für Android nur als unfertig bezeichnet werden, diverse Menüpunkte funktionieren nicht oder nicht wie erwartet, eine Anleitung zur App gibt es nicht. Allerdings lässt sich das Pedelec gut ohne die App betreiben.

Fazit I

Das Netuno Plus ist ein typischer Vertreter eines direkt vertriebenen Pedelecs der unteren Preisklasse. Es fährt, lenkt und bremst wie ich immer sage, es ist also verwendbar, einen zugelassenen roten Rückstrahler sollte Eskute unbedingt ergänzen.

Die am Netuno Plus verbauten Komponenten und deren Materialien sind überwiegend einfach, so wie in diesem Produktsegment zu erwarten ist. Bremse, Schaltung und Antrieb / Steuerung funktionieren im Neuzustand problemlos, die km-Anzeige und die Android-App funktionieren nicht.

Es gibt das Netuno Plus in exakt einer Rahmenhöhe und zwei verschiedenen Farben, in Mainz gibt es einen shop, dort kann man die Räder probefahren. Support gibt es online, in Düsseldorf gibt es eine Eskute-Werkstatt, ansonsten muss man sich Hilfe vor Ort suchen oder selbst Hand anlegen.

Das Besondere des Netuno Plus ist die Drehmomentsteuerung für den Hinterradantrieb, die sich beim Fahren als unauffällig und dabei sehr geschmeidig und wirksam erweist. Je mehr man in die Pedale tritt, desto mehr Unterstützung bekommt man, so habe ich es von dieser Technik erwartet und es funktioniert wie es soll.

Der Antrieb fährt sich auf dem platten Land und dem hier vorherrschenden kräftigem Wind einfach toll, auch Deichauffahrten sind kein Problem – mit mehr Steigungen können wir an der Nordseeküste einfach nicht dienen.

Der Akku ist mit 522Wh üppig dimensioniert, er ist herausnehmbar und im Rad oder separat zu laden.

Fazit II

Empfehlen kann man das Netuno Plus allen Kaufinteressierten, die sich den Aufbau inkl. Inbetriebnahme sowie die laufende Wartung und auch mal eine Reparatur selbst zutrauen oder aber eine Werkstatt in der Nähe haben, die sich solcher „Fremdfabrikate“ annimmt.

Die unzureichende Dokumentation zum Netuno Plus ist ein echtes Manko.

Man findet keine Informationen zum Ein- oder Nachstellen der Bremse, zum Nachkauf von Bremsklötzen (man braucht Klötze der Bauform Shimano M975), zur Einstellung der Schaltung oder der Gabel.

Im Einsatz als „richtiges“ Mountainbike im steilen Gelände wird das Netuno Plus recht schnell überfordert sein, die Federgabel und die Bremsanlage sind hierfür sicherlich zu einfach, ein Nabenmotor ist prinzipbedingt nicht dauerhaft für Steigungen über 15% geeignet.

Es gibt bei youtube ein interessantes Video mit dem Titel „Will it break!?“ in dem Lewi Pilgrim versucht, das Vorgängermodell Voyager zu zerstören. Er unternimmt diverse Treppenabfahrten (urban freeride), fährt trails, macht harte jumps, das Rad hat all das ohne sichtbare Schäden überstanden und er nennt es „a sick bike“ – was als Kompliment zu verstehen ist.
Sehenswert:


Für die Nutzung des Netuno Plus im Alltag sollte man dringend einen Rückstrahler montieren und über die Nachrüstung von Schutzblechen und Gepäckträger nachdenken – die Gewinde für die Anbringung sind an Rahmen und Gabel vorhanden, passende Teile gibt es von Eskute oder auch anderen Anbietern.

Für Fahrten auf festen Wegen und im einfachen Gelände wie auf Wald-, Wirtschafts- und Wiesenwegen ist das Netuno Plus prima geeignet. Auch Steigungen, wie sie auf öffentlichen Straßen vorkommen können, wird das Netuno Plus bewältigen, wobei ich das mangels passendem Gelände nicht selbst ausprobiert habe.

Das Netuno Plus ist für Fahrten zur Arbeitsstätte und zum Einkaufen, für Feierabendtouren und Wochenendausflüge ein gutes und günstiges Pedelec. Die Kombination der gelungenen Drehmonentsteuerung mit einem Nabenmotor hinten ist in dieser Preisklasse selten, sehr sehr selten.

Wenn man einen Tiefeinsteiger vorzieht, bietet Eskute mit dem Schwestermodell Polluno Plus ein technisch fast identisches Pedelec an, weiterhin hat man mit dem Modell Star ein 20“ Klapprad ebenfalls mit Drehmomentsteuerung im Angebot.

Es gibt Netuno und Polluno auch mit Mittelmotor (und natürlich Drehmomentsteuerung), dann als sogenannte Pro-Version.

Das Netuno Plus bietet – vorbehaltlich der Mängel bei Dokumentation und Beleuchtung – ziemlich viel Pedelec für's Geld. Die gut realisierte Drehmomentsteuerung in Kombination mit dem Hinterrad-Nabenmotor ist auf dem deutschen Markt außerordentlich selten und macht dieses Pedelec zu etwas Besonderem.

Zudem kann man das Netuno Plus nach eigenen Vorstellungen und Bedürfnissen um- und ausbauen, das Pedelec bietet durch sein Antriebskonzept eine sehr interessante Basis für solche Vorhaben.

Ich danke der Fa. Eskute für die Überlassung des Netuno Plus sowie den Betreibern und insbesondere der Administratorin von pedelecforum.de für die Vermittlung.

bis denn,
Christian
 
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